Gießen: Seit Gründung der bundesweit einmaligen Präventionsoffensive „ALLIANZ GELDAUTOMATEN“ im Mai 2022, ergreifen immer mehr Banken und Sparkassen Präventionsmaßnahmen und rüsten ihre Geldautomaten nach, um sie für mögliche Sprengversuche noch sicherer zu machen. Das gemeinsame Ziel der ALLIANZ und des Arbeitskreises „Gemeinsam zum Schutz von Geldautomaten“ ist, die Anzahl von Geldautomatensprengungen in Hessen signifikant zu senken, um so insbesondere die Gefahr für Menschen zu minimieren und Sachschäden zu begrenzen.

Bei der Bekämpfung von Geldautomatensprenger, die im vergangenen Jahr zahlreiche Automaten und dabei auch Gebäude in Hessen erheblich beschädigt und zum Teil völlig zerstört hatten, setzt die hessische Polizei auf eine intensive Zusammenarbeit mit den Privat- und Genossenschaftsbanken sowie der Sparkassen. Herzstück der ALLIANZ und des Arbeitskreises ist das Risiko-Identifizierungs-Tool „GLB-operativ“, welches mittels Algorithmen den Raum und den Standort eines Geldautomaten hinsichtlich einer potenziellen Gefahr zur Tatbegehung bewertet. Die gewonnenen Erkenntnisse werden in Form einer sogenannten Risikokonferenz seitens der Polizei mit den Banken besprochen. Für beide Partner sind sie gleichermaßen wertvoll, um die individuellen Präventionsmaßnahmen, aber auch die Einsatz- und Fahndungskonzepte gezielt sowie wirksam ein- und umsetzen zu können.

Alle Mitglieder der ALLIANZ und des Arbeitskreises erklärten sich von Beginn an bereit, den Ausbau präventiver Elemente an erkannten Risiko-Standorten zu priorisieren. Die Ausgestaltung der Maßnahmen richtet sich hierbei nach den individuellen Sicherheitskonzepten der Kreditinstitute, die seitens des Hessischen Landeskriminalamts sowie der regionalen Polizeipräsidien fortlaufend und individuell beraten werden. Zu den Maßnahmen gehören beispielsweise Nachtverschluss, Videoüberwachung, Nebeltechnik oder etwa die Verwendung von Einfärbesystemen.

Auch die Sparkasse Gießen und die Volksbank Mittelhessen sind seit 2016 mehrere Male von Geldautomatensprengungen betroffen gewesen. Nutzten die Täter zunächst noch Gasgemische, wird seit 2021 Festsprengstoff eingesetzt. Um es den Tätern so schwer wie möglich zu machen, setzen die beiden mittelhessischen Geldinstitute nach den erfolgten Risikokonferenzen nun Vernebelungsysteme und Einfärbesysteme sowie die Verwendung von künstlicher DNA an Geldautomaten um. Zudem wurde der Zugang zu den SB-Filialen mithilfe des Nachtverschlusses zeitlich begrenzt. Auch beauftragten die Sparkasse und die Volksbank temporär ein Sicherheitsunternehmen zur Überwachung der Standorte. Zu den bereits getroffenen Sicherheitsmaßnahmen sind weitere geeignete präventive Maßnahmen, wie beispielsweise Rollläden, geplant oder bereits umgesetzt.

„Die hessische Polizei konnte zuletzt mehrere Erfolge erzielen. Dies betraf sowohl mehrere Festnahmen auf frischer Tat und nach zeitnahen Fahndungsmaßnahmen als auch intensive Ermittlungen, unter anderem in Kooperation mit anderen Bundesländern und den Niederlanden. Die professionell agierenden Banden verfügen offensichtlich über einen größeren Personenkreis, sodass es trotz der Erfolge zu weiteren Taten kommt. Umso wichtiger ist es, die Geldautomaten mit moderner Technik zu schützen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Gefahren damit deutlich reduziert werden können. Vor diesem Hintergrund begrüße ich sehr, dass die Sparkasse Gießen und die Volksbank Mittelhessen ihre Maßnahmen zum Schutz der Automaten intensivieren. Auch die hessische Polizei wird ihre Maßnahmen fortlaufend anpassen“, so der Präsident des Polizeipräsidiums Mittelhessen, Torsten Krückemeier.

Peter Wolf, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Gießen, blickt mit Sorge auf die „enorme Brutalität“ der Geldautomatensprenger: „Insbesondere das skrupellose Vorgehen der Täter macht uns fassungslos und tief betroffen. Wir sind Opfer von Hochkriminellen geworden, die Sprengungen mittlerweile auch in Wohngebieten vornehmen und folglich auch Personenschäden billigend in Kauf nehmen. Diese Brutalität der Angriffe entsetzt uns.“

„Jede Minute, die wir erreichen, die Täter aufzuhalten oder zu blockieren, ist wichtig. Je länger die Automatensprenger bei ihren Taten brauchen, umso unsicherer wird es für sie“, sagt Ilona Roth, Vorstandsmitglied der Sparkasse Gießen.

Dr. Lars Witteck, Vorstandssprecher der Volksbank Mittelhessen, sagt: „Die Sicherheit und Unversehrtheit von Kunden und Anwohnern steht für uns bei diesem Thema über allem anderen. Deshalb investieren wir massiv in Technik, die vor allem die Sprengungen wirksam verhindern kann – etwa mit der Vernebelung des Raumes in Verbindung mit grellen Stroboskopleuchten und Sirenen. Dafür müssen wir gefährdete SB-Zonen mit Geldautomaten nachts leider schließen. Aber erfreulicherweise zeigen unsere Kundinnen und Kunden im Hinblick auf die Gefahren Verständnis für die damit verbundenen Einschränkungen. Die Zusammenarbeit mit den Experten der Polizei in der ALLIANZ GELDAUTOMATEN und des Arbeitskreises empfinden wir als sehr fruchtbar Die jüngsten Fahndungserfolge geben allen Beteiligten recht, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.“

Hintergrund zum Phänomen und zur besonderen Aufbauorganisation (BAO) effectus:

Das Bundeskriminalamt verzeichnete deutschlandweit im Jahr 2022 die Rekordzahl von 496 Sprengungen (2021: 392 Taten). Dies sind die höchsten Fallzahlen seit Aufnahme dieses Deliktes in die polizeilichen Kriminalstatistik im Jahre 2005. In Hessen wurden im Jahr 2022 insgesamt 41 Fälle von Automatensprengungen (Vorjahreszeitraum: 56 Fälle) registriert. Dies bedeutete einen Rückgang von rund ein Viertel der Sprengungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Diebstahlsumme sank um ca. 28 Prozent und liegt im letzten Kalenderjahr 2022 bei rund 1,8 Millionen Euro (2021: knapp über 2,5 Millionen). Hinzu kam allerdings eine nahezu Verdopplung der Sachschäden auf mehr als 4,9 Millionen Euro (2021: über 2,5 Millionen). Im aktuellen Jahr 2023 steigen die Fälle der Geldautomatensprengungen wieder an. Der Sachschaden hat sich weiter verdoppelt und liegt bei etwa 9 Millionen Euro. Auch haben die Täter mehr Bargeld erbeutet, bislang etwa 4 Millionen Euro. Bereits seit 2019 gab es in Hessen eine eigens zur Bekämpfung von Geldautomatensprengungen eingerichtete Ermittlungsgruppe im Hessischen Landeskriminalamt (HLKA). Durch intensive Ermittlungen ist es der hessischen Polizei seither gelungen, insgesamt mehr als 70 Tatverdächtige zu ermitteln und in einigen Fällen sogar auf frischer Tat festzunehmen. 20 Personen konnten bislang rechtskräftig verurteilt werden. Nach dem weiteren Anstieg von Sprengungen in Hessen wurden die Bemühungen durch die Gründung der besonderen Aufbauorganisation (BAO effectus) im HLKA mit sieben Regionalabschnitten in den hessischen Polizeipräsidien sowie die Gründung der ALLIANZ GELDAUTOMATEN respektive des Arbeitskreises „gemeinsam zum Schutz von Geldautomaten“ intensiviert.


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